3 Nächte draußen

 

Ende Juni sind wir losgezogen zu einer Mehrtages-Trekkingtour in den Schwarzwald. Paddy, die zwei kleinen Ausbüxer, ich, ein Fahrradhänger und ein großer Rucksack.

  • Tag 1

Dienstagmorgen. Alles ist gepackt. Der Fahrradhänger mit Schlafsäcken, Isomatten, Tarp, Moskitonetz und nem Beutel voller Essen steht bereit. Dazu ein großer 90l-Trekkingrucksack und ein 20l-Daypack mit Klamotten, Hygienekram, bissl Kinderspielzeug, Erste Hilfe-Set und kleinem Krimskrams. Der 10l-Wassersack liegt jetzt noch leer im Hänger.

Nach zwei Tagen Rumkränkeln sind unsere zwei kleinen Ausbüxer heute voller Vorfreude auf unser Abenteuer. Endlich geht’s los! Unser Ziel liegt im Schwarzwald: Vom Bahnhof Haslach zum Bahnhof Hausach wollen wir wandern. 13 km, 400 HM, 3 Tage und 3 Nächte liegen vor uns.

Klingt nach nicht so viel? Ha, denkste!

Um kurz nach 10 steigen wir in den ersten Zug und packen natürlich direkt unser Proviant aus 😉 Die sechs Stunden Zugfahrt mit drei Umstiegen stehen die Kinder mega gut durch. Aber als wir um 16 Uhr in Haslach ankommen sind sie einfach nur noch müde, wollen Eis und auf keinen Fall selber Laufen. Und der Große kommt mir auf einmal nen Tick zu heiß vor. Wir messen: 38°C… Mist!

Ok, also Kinder auf den Hänger und in die Trage.

Vor uns liegen nur 2 km bis zum ersten Schlafplatz. Leider aber auch die ersten 70 HM. Und Wasser müssen wir auffüllen. Eine nette Frau lässt kurz vom Blumengießen ab und füllt uns unseren Wassersack. Zack! 10 kg Zusatzgewicht landen im Hänger als wir auf den Anstieg mit gefühlt 783864% Steigung blicken.

Aber auch den meistern wir irgendwie und kommen endlich am vorher gespotteten Lagerplatz an: Er ist perfekt! Es gibt eine Bank, Tische, eine mega schöne Aussicht aufs Kinzigtal und eine Feuerstelle, die wir wegen Waldbrandgefahr aber nicht benutzen.

Total im Eimer aber glücklich futtern wir unser erstes Abendessen, bauen unser Lager unterm Moskitonetz auf und sind mega stolz aufeinander. Auch dem Großen gehts wieder besser und die Temperatur ist wieder runter.

„OK, krass! Wir haben den schwierigsten Part geschafft!“, denke ich mir an dem Abend noch lächelnd. „War gar nicht soooo hart…“.

Gut, dass ich da noch nichts vom nächsten Tag wusste…

  • Tag 2

Der Tag beginnt mit Geschrei. Viel Geschrei. Leider nicht nur von den Kindern. Auch von mir. Es ist sowas von der Wurm drin. Ich bin durch, die Kinder auch. Nur Paddy bringt noch Ruhe in unser Gespann, obwohl auch er müde ist.

Dass die Nacht echt gut war merkt man nicht unbedingt. Und hey, gerade heute warten 300 HM und ein extrem buckeliger, enger Pfad auf uns, der eigentlich viel zu schmal für unseren Hänger und viel zu steil für die Kinder ist – Yay!

Wir machen also viele Pausen. Pausen, in denen Zecken in allen Größen und Farben auf uns und vor allem auf den Kindern rumkrabbeln und genüßlich anfangen Blut zu schlürfen! Dem Waldkindergarten sei Dank ist das aber kein großes Ding für die Kids, also Zecken raus und weiter.

Die Kleine auf den Schultern wuchte ich den Hänger weiter berauf während Paddy das große Kind und den großen Rucksack trägt.

Ungefiltert platzen Frust, Enttäuschung, Müdigkeit und Anstrengung immer wieder aus mir heraus. Gleichzeitig wollen heute beide Kinder immer wieder nur Mama und sind ebenfalls extrem dünnhäutig und angespannt. Wie war das nochmal? Co-Regulation durch die Eltern ist das A und O… So eine Scheiße!

Irgendwann kommen wir am Schlafplatz an. Ein großer Aussichtsturm steht dort – eigentlich wunderschön, aber der Blick fehlt uns gerade. Alle sind müde, hundemüde. So müde, dass sogar die Nudeln mit Tomatensoße total falsch sind… Am Ende bringen frisch gesammelte Walderdbeeren Entspannung. Und ganz viel Kuscheln.

„Kann morgen nur besser werden“, denke ich…

  • Tag 3

Eine kleine Hand legt sich um meinen Hals und drückt mich quieckend. „Aufstehen, ich hab Hunger und will Müsli!“ Der Tag gestern steckt mir noch in den Knochen und wenn ichs nicht besser wüsste, könnte man meinen ich wär total verkatert.

Langsam schäle ich mich aus dem Schlafsack. Mein Blick wandert zu Paddy – genauso verkatert. Lächelnd krabble ich unter dem Moskitonetz hervor. Die Kinder sitzten schon am mit Löffeln in den Händen am Holztisch und warten nur darauf, dass ich Haferflocken, Milch, Schoki und Nussmus hervorkrame.

Und wirklich: Das Frühstück tut saugut! Ich spüre, wie sich mein Körper und meine Wahrnehmung entspannt.

Gegen 10 Uhr brechen wir auf. 7 km und 200 HM liegen heute vor uns. Außerdem haben wir nur noch 1 l Wasser, d.h. wir brauchen dringend Nachschub. Die Kinder dürfen erstmal auf den Hänger, denn so ganz fit sind sie immernoch nicht.

Wasser finden wir zum Glück wie geplant an einem Bauernhof. Er ist wunderschön und zu unserer Überraschung läd uns die Familie zu selbstgemachtem Eis ein. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen wie unglaublich mega lecker sowas nach zwei Nächten im Wald schmeckt!

Weiter gehts, bergauf, bergab, mal die Kinder an der Hand, mal Huckepack oder mal auf dem Hänger. Mal fröhlich singend, Quatsch machend, mal müde-mürrisch-angespannt. So kommen wir dann tatsächlich gegen 18 Uhr an unserem Ziel an: eine Grillhütte mit Spielplatz.

Als wir wenig später unsere Maultaschensuppe löffeln und stolz und glücklich auf den Tag zurückblicken merke ich: Jetzt sind wir angekommen. Jetzt ist er da, unser Trekking-Flow.

Weil die Hütte so dunkel und eng ist, bauen wir unser Lager daneben auf. Erst später sehen wir, dass es nachts regnen soll. „Kein Problem“, denken wir, als wir unser Tarp aufbauen.

Doch es sollte nicht nur bei etwas Regen bleiben. Ganz und gar nicht…

  • Tag 4

Ich werde wach als um mich herum noch alles dunkel ist. Mein Blick wandert auf die Uhr: 03:42 Uhr. Der für Mitternacht angekündigte Regen ist nicht gekommen.

Aber da! Mein Blick liegt auf dem dunkelgrünen Tarp über mir und für den Bruchteil einer Sekunde bringt ein Blitz es zum Leuchten. Gewitter. Ok. Mist.

In meinem Kopf kommen die Gedanken in Schwung. Ich bin jetzt hellwach. Das Gewitter ist weit weg, aber ich muss unbedingt wissen, in welche Richtung es zieht. Ich wecke Paddy.

Es blitzt.

„Lass mal aufs Regenradar schauen“, schlage ich leicht hektisch vor. Der Blick darauf haut uns aus den Latschen: In etwa 15 Minuten wird das Gewitter direkt, also wirklich so ganz dirket über uns sein. Wir mittendrin. S-H-I-T!

Warum nur mussten wir uns ausgerechnet neben die Hütte liegen. Das Ding hat einen Blitzableiter und wir wären darin sowas von sicher. Aber nein, wir liegen daneben. Um uns herum Bäume. Also eine lehrbuchreife Situation dafür, wie man es NICHT machen sollte.

Es fängt an zu regnen. Oder besser: Es schüttet aus Eimern. Wind kommt auf. Laut flatternd bäumt sich das Tarp über uns immer wieder auf und nieder. Dazwischen grollt und donnert es bedrohlich um uns herum.

Wir zählen die Sekunden. Blitz …. 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, … krawummm! Donner. Geteilt durch drei. Weniger als drei km entfernt.

Wir müssen was tun.
Plan A wäre: Isomatten in die Hütte tragen, platschnass werden, Kinder mit Schlafsack auf die Isomatten tragen, Kinder werden wach und platschass, Kinder schreien wie am Spieß weil panische Angst vor Gewitter.
Plan B sieht vor: wir verharren, hoffen, dass nix passiert und es einfach vorüberzieht, legen uns hin und schlafen weiter.

Wie war das nochmal mit Wahrscheinlichkeiten?

KRAAAACHOOOOOMMMM!

„Fuuuu***K, Paddy, wir müssen rein. Das hier können wir nicht bringen! Dann schreien sie halt, besser als sterben…“. Leicht panisch ziehe ich eine Isomatte unterm Tarp hervor während dicke Regentropfen auf meinem Rücken landen. Ich lege sie in die Hütte, bereit jetzt die Kleine reinzutragen. Doch ich werde von einem herannahenden Scheinwerfer unterbrochen. Ein Fahrradfahrer, der vor dem Gewitter Schutz sucht.

Er legt sich in die Hütte und ich schlüpfe wieder zu Paddy und den Kindern unters Tarp. Die Unterbrechung lässt uns wieder an Plan A zweifeln. Wir zählen wieder die Sekunden. Das ist natürlich total müßig, denn insgeheim wissen wir ja, dass das Gewitter genau über uns sein wird. Und zwar in wenigen Minuten.

Und so verharren wir drei scheckliche Blitze lang. Blitze, in denen wir keine Zeit hatten die Sekunden bis zum Donner zu zählen, so nah waren sie. Danach zählten wir weiter, schauten minütlich aufs Regenradar, saßen dicht beeinander und entspannten nach und nach, Minute für Minute unsere Muskeln. Die Abstände wurden länger. Das Gewitter war vorübergezogen.

Ich weiß nicht ob wir richtig enttschieden haben. Ob wir verantwortungsbewusst gehandelt haben. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht dem Risiko entsprechend.

Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar dafür, dass es so war, wie es war: die Kinder schliefen bis 8 und nach einem regnerischen Morgen machten wir uns auf den Weg bergab Richtung Zivilisation und Bahnhof.

Der Große wollte am liebsten noch länger im Wald bleiben. Wir irgendwie auch. Aber die Aussicht auf Croissants, Duschen und Kaffee machten es leichter.

Was für ein Abenteuer. 💚

Eure, Jana

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Kommentare (5)

  • Meike

    Was für ein Abenteuer und Danke für die spannenden und ehrlichen Einblicke 😃😅
    Gewitter ist draußen immer furchtbar und ich kann die „was ist die beste Option?- Überlegungen“ sehr gut nachvollziehen…
    Ich war Ende Juni für zwei Nächte mit drei Kids alleine zum Trekking in der Eifel unterwegs. Die Kinder laufen alleine und hatten einen mini Rucksack mit Getränk und ihren Klamotten. Ich hatte einen Riesen Rucksack und einen Handkarren für Zelt Wasser, Schlafsäcke,….
    Fazit: zu viel Gepäck für eine Erwachsene, Handkarren sind ungeeignet, weil zu schwer (ich denke ein Bollerwagen oder Fahrradanhänger eignen sich besser), zu lange Wege mit zu viel Steigung für dieses Setting.
    Wir hatten dennoch mega Spaß und die Stimmung war toll. Am 2. Tag haben wir den längsten Weg mit dem Auto abgekürzt und sind dann noch mit tagesgepäck gewandert, was deutlich entspannter war.
    Liebe Grüße

    • jana Autor

      Hi Meike,
      🙂 danke fürs Teilen eurer Erfahrungen! Ja, offen bleiben für allerlei Improvisation hilft halt echt immer 🙂
      Liebe Grüße,
      Jana

  • Tobias

    Huhu Jana und co!

    Ach, wunderbar erfrischend zu lesen – ich schließe mich an: danke für die ehrliche Schilderung! Ich habe vieles wiedererkannt aus unserem Trekking-Leben der letzten Jahre ;-).

    Mittlerweile glaube ich übrigens, die Lösung gefunden zu haben… die Kinder müssen einfach etwas älter werden. Mit aktuell 5,7,9 Jahren konnten wir die Zahl der Wutausbrüche unsererseits und Schreianfälle seitens der Kinder mittlerweile sehr reduzieren. Praktisch auch, dass das mit dem Alter von selbst eintritt. Bevor sie dann wahrscheinlich wieder zu alt werden? Aber, jeder Zeit ihren Spaß!

    Also, nur Mut zu neuen Abenteuern!

    Lustig übrigens: als ihr gerade per Bahn durch ganz Deutschland in den Südwesten zum Wandern gefahren seid, sind wir umgekehrt auch mit dem Zug durch ganz Deutschland in den Nordosten zum Wandern gefahren – auch schön:

    https://www.outdoorfamilie.de/forststeig-trekking-mikroabenteuer-mit-kindern/

    Schöne Draußen-Grüße
    Tobias

    • jana Autor

      Hi Tobias,
      danke für deinen Kommentar – das tut ganz gut zu lesen 🙂
      Eure Tour schau ich ich mir gerne an, danke!
      Liebste Grüße,
      Jana

      • Tobias

        Wahrscheinlich während der Saison etwas zu touristisch, der Forststeig. Dafür sorgenfrei, was Übernachtungsplätze betrifft. Und einfach mal so einer Ausschilderung hinterherlaufen zu dürfen, entlang wirklich hübscher Wege (wenn man Wald mag – aber ihr wart ja eben extra dafür im Schwarzwald :), ist ja auch ganz nett. Wie ihr immer schreibt: ein gutes Mikro-Abenteuer! Vielleicht für den goldenen Herbst?

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