Um nicht zu frieren, legt man sich am besten nackt in den Schlafsack? Nachts krabbeln einem lauter Käfer und Spinnen über’s Gesicht? Beim Thema „Draußen schlafen“ halten sich einige Mythen hartnäckig – wir räumen mit fünf davon auf.
Bevor du mit deiner Familie losziehst, um unter den Sternen zu biwakieren, solltest du natürlich gut informiert sein. Aber nicht jede „Weisheit“, die so erzählt wird, hat tatsächlich einen realen Hintergrund. Wir räumen mit fünf verbreiteten Mythen auf und erklären dir was dahinter steckt.
1. Käfer und Spinnen krabbeln nachts besonders gerne über schlafende Menschen
Wenn man ohne schützendes Zelt im Wald schläft, krabbeln nachts ganz viele Insekten über das Gesicht und in den Schlafsack. Es heißt ja auch, dass jeder Mensch acht Spinnen pro Jahr im Schlaf verschluckt. Das passiert im Wald bestimmt ganz schnell.
Tatsächlich wimmelt es im Wald nur so vor Insekten – und das ist gut so! Abgesehen von Stechmücken bist du für Insekten aber ehrlich gesagt höchst uninteressant. Sie haben viel zu tun: Während du eingemummelt unter den Baumkronen liegst, wird um dich herum fleißig gejagt und gefressen. Insekten zersetzten totes Pflanzenmaterial und tragen dazu bei, dass Nährstoffe im Boden wieder für Pflanzen verfügbar werden. So sorgen sie für einen gesunden, fruchtbaren Waldboden.
Interessant bist du nur, wenn du die Krümel von den heimlich genaschten Keksen noch im Schlafsack liegen hast – dann könnte es sein, dass ein paar Ameisen zum Mitternachtssnack vorbeischauen.
PS: Du verschluckst keine 8 Spinnen im Jahr.
2. Ab einem gewissen Alter macht der Körper das nicht mehr mit
Auf dem Boden schlafen mit nur einer Isomatte als Unterlage, das ist ok wenn man jung ist – aber ab einem gewissen Alter ist das doch nichts mehr. Im Alter wird man unbeweglicher, dann geht das einfach nicht. Oder?
Natürlich ist Draußen-Schlafen, so wie andere Aktivitäten, nicht für jede/n das Richtige. Das Alter alleine sollte aber niemanden abschrecken. In vielen Ländern schlafen Menschen ihr ganzes Leben auf harten Unterlagen am Boden und kommen gut damit zurecht.
Wichtig ist, sich nicht zu zwingen, dass es die allerhärteste und dünnste Matte sein muss. Wer Rückenbeschwerden hat, kommt vielleicht besser mit einem dickeren, selbstaufblasenden Modell zurecht. Nur: Finger weg von Luftmatratzen, die sind Gift für den Rücken. Am besten du testest die Isomatte zuhause schon mal vor. Menschen mit hartnäckigen Knieproblemen können sogar ein Feldbett mit in den Wald nehmen. Leichte Modelle sind mit 7 kg durchaus transportabel.
So oder so: Auch wenn die Nacht unter freiem Himmel nicht unbedingt die bequemste sein wird, dann bringt sie trotzdem zwei Dinge mit sich, die Menschen jeden Alters gut tun: Bewegung an der frischen Luft und ein unvergessliches, gemeinsames Naturerlebnis.
3. Wildschweine knabbern gerne an wehrlosen Draußen-Schläfern
Im Wald liegt man ja total ungeschützt. Wenn man Pech hat, kann es sein, dass nachts Wildschweine an einem knabbern, denn die sind ja bekanntermaßen Allesfresser, oder?
Jein. Wildschweine sind tatsächlich Allesfresser, aber das gilt nur für Aas. Die borstigen Tiere jagen nicht und interessieren sich nicht die Bohne für lebendiges Essen. Deine Begegnungen werden sich also wahrscheinlich auf Sichtungen aus der Ferne beschränken.
Du solltest lediglich darauf achten keine Essensreste herumliegen zu lassen, denn die könnten tatsächlich Schweine und andere Tiere anlocken.
Mehr zu Wildschweinen steht im Artikel: 5 Dinge, die du über Wildschweine wissen solltest
4. Draußen schlafen ist unhygienisch und ungesund
Im Waldboden wimmelt es vor Bakterien und Viren. Was wenn mein Kind das in den Mund nimmt? Sich dauernd die Hände zu waschen geht ja nicht. Und wie sieht es mit dem Toilettengang aus? Das kann ja nur krank machen, oder?
Dass es im Boden jede Menge Mikroorganismen gibt, stimmt. Aber sie sind nicht unbedingt schädlich für uns Menschen. Für Kinder ist es sogar wichtig, Kontakt damit zu haben um ein normales Immunsystem auszubilden und weniger anfällig für Allergien zu sein1.
Beim Toilettengang im Wald gibt es sogar weniger Kontakt mit Erregern als sonst, denn es gibt ja keine Klobrille. Und weil jede/r sich ein eigenes Loch buddelt, geht auch keine Gefahr von den Hinterlassenschaften der anderen aus. Wichtig ist nur, sich hinterher die Hände zu waschen. Und das ist natürlich auch im Wald möglich.
Eine Studie aus Schweden fand übrigens heraus, dass Kinder, die im Waldkindergarten jeden Tag in der Natur verbringen, nur einen Krankenstand von 2,8% haben. In „normalen“ Kindergärten waren es 8%2.
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5. Um nicht zu frieren, schläft man am besten nackt
Was macht man um bei kalten Temperaturen im Schlafsack nicht zu frieren? Na klar: Nackt reinlegen. Diese Outdoor-Weisheit kannte schließlich schon der Opa.
Dabei gilt für alle Schlafsäcke, egal ob Daune oder Kunstfaser: sie schützen vor Kälte, indem sie unsere Körperwärme halten. Bis zu einem gewissen Kältelevel funktioniert das bei den meisten Schlafsäcken auch nackt. Darüber hinaus ist es aber so, dass jede Kleidungsschicht zusätzlich isoliert und warm hält. In kälteren Nächten ist es also wichtig, im Schlafsack Klamotten zu tragen. Nur übertreib’s nicht, denn wenn du dich zu warm anziehst und in’s Schwitzen gerätst, wird’s auch wieder kalt. Super geeignet ist zum Beispiel atmungsaktive Funktionsunterwäsche.
Viel besser wäre es übrigens, die Outdoor-Weisheit: „Nie oben ohne in den Schlafsack“ einzuführen. Denn unser größtes Wärmeleck ist der Kopf. Wenn du nachts eine Kapuze oder Mütze trägst, kommst du so schnell nicht in’s Bibbern und kannst die Nacht unter den Sternen muckelig warm genießen.
Entzaubert
Nachdem wir mit diesen Mythen aufgeräumt haben, bleibt für dich und deine Familie eigentlich nur noch „es“ einfach zu tun und gemeinsam eine Nacht unter den Sternen zu verbringen. Alles, was du dafür wissen musst findest du im Artikel: Mit Kindern draußen schlafen – Schritt für Schritt.
In diesem Sinne – Viel Spaß beim Ausbüxen!
Paddy & Jana
Kennst du noch weitere Mythen rund um das Thema „Draußen schlafen“? Schreib’s in die Kommentare.
Quellen
- Wieviel Dreck ist gesund?, Zeit Online, 17.1.2017
- Draußen in allen Wetterlagen, Grahn, P. et al, 1997
Hallo Jana und Paddy,
super Webseite und mit viel guter Laune geschrieben.
Wenn ich vor Bekannten erzähle, das ich mit 48 Lj. im Wald übernachte und kleine Touren mache, schauen diese ungläubig und warten mit Mythen auf.
Gruß aus Berlin
Pelikan
Hi Pelikan, vielleicht solltest Du die Bekannten dann einfach mal mitnehmen, damit sie’s selbst erleben? ????
Danke auch für die lieben Worte zur Website!
LG
Jana
Ich würde das sehr gerne mal probieren mit meiner Familie.
Hallo Marc, dann nichts wie raus ????! Schreib uns gerne, wenn Du Themenwünsche hast, die Euch dabei unterstützen würden.
Könnt ihr mir was empfehlen für Anfänger am Niederrhein…
Hey Marc,
konkret sind wir leider keine Spezialisten für deine Gegend. Aber kennst du unseren Überblicks-Artikel zum Thema Draussen-Schlafen? Da steht alles Grundsätzliche zur Wahl eines Ortes drin: https://ausgebuext.info/wald-see-wiese-strand-mit-kindern-draussen-schlafen-schritt-fuer-schritt/
Hilft dir das?
Hi,
Ich finde die Idee mit dem draußen Schlafen sehr spannend. Aber ich habe Bedenken, dass sich die wildlebenden Tiere gestört fühlen. Diese haben ja sowieso schon immer weniger Rückzugsorte.
Wie geht ihr damit um?
Liebe Grüße,
Kerstin
Hallo Kerstin,
ja, das ist ein wichtiger Punkt, auf den wir auch immer wieder angesprochen werden. Wir finden es wichtig den Wald als einen Ort zu sehen, den wir nicht nur besuchen, sondern der auch für uns Menschen ein Zuhause ist. Gleichzeitig ist es aber ganz wichtig bewusst zu haben, dass wir uns diesen Raum mit anderen Menschen und Tieren teilen. Das heißt, das wir Respekt vor diesen anderen Waldbewohnern haben sollten. Dazu gehört zum Beispiel keine keine laute Musik und kein Feuer zu machen und kein Müll liegen zu lassen.
Ganz wegbleiben ist aber für uns nicht die richtige Lösung, denn wir können uns und unseren Kindern nur eine tiefe Naturverbindung ermöglichen, wenn wir ganz darin eintauchen. Der Wald darf kein Museum sein – er soll mit allen Sinnen erlebbar werden. Nur so können wir auch das Bewusstsein schaffen, das notwendig ist um eben diese Natur zu bewahren.
Wir denken, in den meisten Wäldern ist es nicht wirklich ein Problem, wenn hin und wieder Menschen ihre Nacht dort verbringen. Dafür sind es halt doch sehr wenige. Falls es doch an bestimmten Orten irgendwann richtig viele Menschen in den Wald zieht, dann wäre das doch eine schöne Gelegenheit das Schaffen von Trekkingplätze anzuregen. Auf solchen Plätzen dürfen Menschen ganz offiziell im Wald übernachten. So könnte man alle Interessen auf eine sinnvolle Art vereinbaren.
Hilft dir das weiter? Wie empfindest du das selbst?
Schöne Grüße
Paddy und Jana